Feb 23, 2023 - HRWN

Von Daniel Berlin
Carolin Gramkow knautscht den weichen Ball in ihren Händen. Die Staderin testet in Himmelpforten den neuen Handballtrend aus Dänemark: Five-a-Side. Nun hoffen die Verbände, dass Aktive das Spiel in ihre Vereine bringen.
 

Carolin Gramkow (44) hörte vor sieben Jahren auf, Handball zu spielen. Jetzt will sie dem VfL Stade Five-a-Side schmackhaft machen. Foto: Berlin

Die Luft ist raus. Das muss so sein bei einem Five-a-Side-Ball. Der Ball ist etwas kleiner als ein normaler Handball, weich. Prellen ist damit fast unmöglich. Selbst mit großem Kraftaufwand springt der Ball nur zurück auf Hüfthöhe. Das wirkt sich auf die Taktik aus. Laufspiel ist gefragt. Freistehen. Schnelle und präzise Pässe.

Physischer Kontakt bei Five-a-Side verboten

Fünf Spieler oder Spielerinnen zählt jede Mannschaft. Die Teams spielen mit Yiegendem Torwart. Die angreifende Mannschaft spielt in Überzahl. Physischer Kontakt ist verboten. Blocken geht. Schiedsrichter braucht es nicht. Das Spielfeld ist ein paar Meter kürzer als ein normales Handballfeld. Ein Spiel dauert zwölf Minuten ohne Pause. Die Regeln für Five-a-Side passen auf eine DIN-A4-Seite.

Gut 40 Menschen sitzen am vergangenen Sonnabend im Halbkreis auf den Bänken in der Himmelpfortener Sporthalle und hören Torben Streich vom Handballverband Niedersachsen-Bremen (HVNB) und dem Chef der Handballregion Elbe-Weser (HREW), Bernd Wassermann, zu. Die Teilnehmer kommen aus Stade, Fredenbeck, Wisch, Himmelpforten, Altenwalde, Hagen und sogar aus Magdeburg. Männer, Frauen und ein paar Kinder. Drei Stunden lernen sie die Theorie von Five-a-Side und vor allem die Praxis. Sie kommen als Interessierte und gehen, so hoffen die Verbände, als Multiplikatoren.

Landesverband verzeichnet Mitgliederschwund

Carolin Gramkow erzählt, sie wolle „die Senioren beim VfL Stade wieder in Schwung bekommen“. Eine Initiative, ehemalige Handballerinnen und Handballer wieder zu aktivieren, gab es bereits vor dem Beginn der Corona-Pandemie. Mit dem ersten Lockdown waren die Bemühungen zunächst obsolet und schliefen dann wieder ein. Carolin Gramkow startet jetzt mit einer Vereinskollegin einen neuen Anlauf. Five-a-Side soll dabei der Türöffner sein.

Die Verbände haben die Menschen ab etwa 30 Jahren zu ihrer Zielgruppe für das neue Projekt erklärt. Es ist kein Zufall, dass der Referent für Mitgliederentwicklung im HVNB, Torben Streich, das Einmaleins von Five-a-Side unter die Leute bringt. Denn die Mitgliederentwicklung im Land ist verheerend. In den letzten zwölf Jahren haben Bremen und Niedersachsen mehr als 20.000 Mitglieder verloren. Stand heute spielen etwas mehr als 80.000 Menschen Handball. Erst seit 2022 geht es ganz langsam wieder bergauf.

Carolin Gramkow ist 44 Jahre alt. Sie spielte 30 Jahre lang, sogar hochklassig bis zur Oberliga. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter vor sieben Jahren hat sie aufgehört. Ein klassischer Grund. Andere hören auf, weil sie sich berufich verändern oder weil der Körper nicht mehr mitspielt. Gerade diese Ehemaligen will der Verband mit Five-a-Side erreichen. Körperloser Handball könnte den Wiedereinstieg fördern. Und: „Es gibt kein Zwischending zwischen vollaktiv und ein bisschen bewegen“, sagt Torben Streich. Viele von denen, die genau das wollen, sitzen an diesem Samstag in der Sporthalle in Himmelpforten.

Dirk Schwarz von der HSG Bützfeth-Drochtersen zum Beispiel. Ehemalige hatten dort vor gut eineinhalb Jahren eine Freizeittruppe ins Leben gerufen. Donnerstags treffen sich die alten Hasen. Vielleicht sei Five- a-Side etwas für die alten Herren, sagt Dirk Schwarz. Vertreter vom MTV Wisch lernen den Sport an diesem Tag, weil sie für ihre Senioren ein Angebot schaffen wollen. Mehrere Lehrerinnen überlegen, ob sie Five-a- Side in den Schulsport integrieren können. Der Handballer Mario Winzer-Struck erzählt, er spiele nunmehr seit 47 Jahren. Er wolle die 50 vollmachen.

Acht Minuten Tempo ohne Unterbrechungen

Torben Streich schickt die Kursteilnehmer zum Warmmachen. Laufen, abklatschen, kennenlernen, kleine Spielchen. Das Übliche. Danach nähert sich die große Gruppe mehr und mehr dem eigentlichen Five-a-Side. In Kleingruppen überspielen die Angreifer die mehr oder weniger aktiven Verteidiger. Sprungwurf an der Sechsmeter-Linie. Tor. Die Übungen enden mit einem Turnier zwischen sechs Mannschaften. Jede Mannschaft spielt zwei Mal jeweils acht Minuten. Die Spieldauer täuscht. Denn es gibt acht Minuten.

Tempo ohne Unterbrechungen. Der Schweiß läuft, aber die Stimmung in der Himmelpfortener Sporthalle ist prächtig.

 

Torben Streich vom Handballverband Niedersachsen-Bremen (HVNB) sagt: „Es gibt kein Zwischending zwischen vollaktiv und ein bisschen bewegen.“ Foto: Berlin

„Das ist anstrengend. Aber im positiven Sinne“, sagt Carolin Gramkow. Die 44-Jährige hat mal wieder Hallenluft geschnuppert, Gleichgesinnte wieder getroffen, die sie noch von früher kennt. Carolin Gramkow strahlt.

HREW-Chef Bernd Wassermann probiert Five-a-Side aus. Er muss schließlich wissen, was er den Vereinen der Handballregion da schmackhaft macht. Der Himmelpfortener ist 66 Jahre alt. Dass er noch häufiger aktiv auf der Platte unterwegs sein wird, kann er sich nicht vorstellen. Er verfolgt eine andere Mission: Menschen ab 30 mit solchen Projekten wieder in die Vereine zu bringen, um die Geselligkeit und das Ehrenamt zu stärken. Five-a-Side scheint da ein gutes Mittel zu sein.




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